27.08 - 02.09.2011 Exkursion des GHV nach Polen

Gemeinsamkeiten zwischen Villingen und Südpolen

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Villingen-Schwenningen (he). Mit einer Fülle überwältigender und bewegender Eindrücke kehrten die Mitglieder des Geschichts- und Heimatvereins Villingen von ihrer Exkursion nach Südpolen zurück. In Breslau und Krakau setzten sich über 40 Teilnehmer mit der wechselvollen Geschichte Schlesiens und des sogenannten  Kleinpolens auseinander.
Die Gruppe besichtigte am ersten Tag den in historischer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht wichtigsten Ort Niederschlesiens, die Hauptstadt der Woiwodschaft, Breslau. Sie zählt heute ca. 650.000 Einwohner und ist die viertgrößte Stadt Polens. In Bezug auf die Architekturdenkmäler gehört sie zu den bedeutendsten Städten in Europa. Siebzig Prozent der kostbaren Bausubstanz waren 1945 zerstört. Die Besuchergruppe konnte sich bei der Stadtbesichtigung von dem bewundernswerten originalgetreuen Wiederaufbau überzeugen. Das Wahrzeichen Breslaus, das gotische Rathaus mit seiner astronomischen Uhr begeisterte ebenso wie die sich auf dem Marktplatz, dem  Ring aneinanderreihenden Giebelhäuser in verschiedenen Stilrichtungen, von denen keines dem anderen gleicht. Weitere Höhepunkte in Breslau waren die Besichtigungen des Doms  des Hl. Johannes des Täufers auf der Sandinsel und der Aula Leopoldina der Universität, ein Glanzstück der Barockkunst.
Jahrhunderthalle, Zoologischer Garten und andere Sehenswürdigkeiten wurden bei einer Stadtrundfahrt besichtigt, bevor die Reise weiter durch Oberschlesien bis nach Krakau führte.
Die vom zweiten Weltkrieg weitgehend verschonte Hauptstadt Südpolens mit Sitz der zweitältesten Universität Europas (hier studierte u.a.Nikolaus Kopernikus) beeindruckte durch Europas größten mittelalterlichen Marktplatz mit seinen berühmten Tuchhallen. Dominiert wird der Platz von der Marienkirche, in deren Innerem die Geschichtsfreunde den von Veit Stoß aus Nürnberg geschaffenen Hochaltar bewundern konnten. Der Wawel-Hügel mit Königsschloss und der Kathedrale, dem Wahrzeichen der Stadt, Barbakane und Florianstor, das Collegium Maius (Jagiellonen-Universität),sowie das Jüdische Viertel (hier drehte Steven Spielberg Teile seines Films  Schindlers Liste ) sind einige der kulturellen und geschichtlich bedeutsamen Stätten, die die Villinger kennen lernten. Bei einem Besuch im abendlichen Krakau mit seinen Straßencafés gehen moderne Lebensart und historischer Glanz Hand in Hand und man fühlt sich in den Süden versetzt. Überall in Krakau begegnet man den Spuren von Johannes Paul II., der als Karol Wojtyla 1920 nahe Krakau geboren wurde und in Krakau studierte und wirkte.
Einen äußerst interessanten Eindruck in den Abbau von Salz erhielten die Mitglieder des GHV bei einer Führung durch eines der ältesten und bekanntesten Salzbergwerke der Welt in Wieliczka. Bis zu 130 m tief ging die Besichtigung der  unterirdischen Stadt , bizarre Landschaften in einem Labyrinth aus Gängen, in Salz gehauene Skulpturen, wie Kobolde, Engel und Heilige. Die in 100 m Tiefe liegende, aus Salz gehauene  Kapelle der heiligen Kinga , 55 x 18 m groß, mit zauberhaften Reliefs, Skulpturen und Altären sowie Kronleuchtern aus Salzkristallen, erzeugte bei allen Besuchern Gänsehausatmosphäre
Für zwei weitere Programmpunkte teilte sich die Gruppe. Ein Teil besuchte die wichtigste religiöse Kultstätte Polens, das Paulinerkloster von Tschenstochau, mit der weltberühmten  Schwarzen Madonna . Sie gilt nicht nur als katholisches Heiligtum, für die Polen ist das Bild vor allem ein Symbol für Freiheit und Unabhängigkeit.
Der andere Teil der Gruppe stellte sich mit dem Besuch von Auschwitz-Birkenau der geschichtlichen Vergangenheit .Der Rundgang durch das Lager zeigte drastisch die unmenschliche Behandlung der Häftlinge. Besonders bedrückend war der Besuch in den Vernichtungsräumen in Birkenau. Die Betroffenheit dieses Besuches wird bei allen Teilnehmern sicher noch lange nachwirken.

Gedanken an Villingen kamen auf bei einem Besuch der Benediktinerabteil Tyniec mit einem Orgelkonzert in der barocken Klosterkirche. Und bei einer Fahrt in die Hohe Tatra fühlten sich manche durch die Landschaft gar in den Schwarzwald versetzt. Eine Floßfahrt auf dem Grenzfluss Dunajec durch den Pieniny-Nationalpark sowie die Besichtigung eines Kleinods, der ältesten Holzkirche Polens, St. Erzengel Michael, erbaut 1490 mit einmaligen Malereien aus dem 15. und 16. Jh. rundeten das Besichtigungsprogramm ab.

Selbstverständlich probierten die Reisenden auch die original polnische Küche mit Bigos, Piroggen, Barszcz usw. Auch ein kleiner Verdauungswodka durfte natürlich nicht fehlen.

Eine Parallele zu Villingen und geschichtlich interessant ist, dass Polen im 18. Jahrhundert unter Habsburgische Herrschaft gestellt wurde .Außerdem hat Kaiser Otto III., der Villingen im Jahr 999 das Markt-, Münz- und Zollrecht verlieh, ein Jahr später das Bistum Breslau gegründet.

Hasko Froese bedankte sich im Namen der Reisenden beim ersten Vorsitzenden Günter Rath für diese überaus anspruchsvolle und interessante Reise, die für manche Teilnehmer eine Reise zu Geburtsstätten und Orte der Kindheit oder ihrer Vorfahren wurden.



















Bilder: Echle


Für Brita Nufer hatte die Jahresexkursion des Geschichts- und Heimatvereins Villingen (GHV) nach Südpolen eine ganz besondere Bedeutung: Sie lernte neben großartigen Sehenswürdigkeiten in Breslau, Krakau und anderen geschichtsträchtigen Stätten, den Ort kennen, in dem sie geboren wurde. Mit ihrem Mann, Ortwin Nufer, langjähriger Schulleiter von Pfaffenweiler, wo er als Ortvorsteher die Geschicke des Stadtbezirks mitbestimmt, hatte sie einen Abstecher nach Tarnowitz (heute:  Tarnowskie Garry ) gemacht. Es war für sie ein überwältigender Eindruck, als sie zum ersten Mal vor dem Haus standen, in dem sie als Brita Ryrko zur Welt kam und in dem sie die ersten dreieinhalb Jahre ihres Lebens verbrachte. Es war einst das Landratsamt des Oberschlesischen Ortes, in dem ihr Vater, Gerhard Ryrko, bis zur Vertreibung als Kreisbaumeister wirkte. Das Haus, das mit den Wappen von Polen und Schlesien geschmückt ist, beherbergt auch heute eine Kreisbehörde. Die Nufers durften das Elternhaus der Brita auch innen besichtigen. Beide waren tief emotional bewegt und beeindruckt aber auch dankbar, dass sie die Stelle gefunden hatten, wo Brita Nufer ihre Wurzeln hat.


Brita Nufer aus Pfaffenweiler vor ihrem Elternhaus in Tarnowitz, Oberschlesien, in dem sie geboren wurde und die ersten dreieinhalb Jahre ihres Lebens verbrachte. Es ist das Gebäude des ehemaligen Landratsamtes, in dem ihr Vater, als Kreisbaumeister bis zur Vertreibung eine Dienstwohnung hatte. Auch heute ist hier eine Kreisbehörde untergebracht. Foto: hco



Helga Echle sah bei der Exkursion des Geschichts- und Heimatvereins Villingen (GHV) nach Polen zum ersten Mal den Ort, in dem sie 1944 zur Welt gekommen ist. Bisher kannte sie die Heimat, Bad Flinsberg, in der Umgebung von Breslau, nur aus den Erzählungen ihrer Mutter, Anneliese Gaber. Mit ihr und ihrer Großmutter konnte Helga Gaber als vier Monate alter Säugling im Januar 1945 fliehen, als bekannt wurde, dass Breslau zur Festung erklärt werden sollte. Es waren sehr emotionale Empfindungen, als sie jetzt in die Gegend kam, in der fast ihre ganze Verwandtschaft gelebt hatte. Die Gedanken an die Zeit der Flucht und Vertreibung beschäftigten sie sehr auf dieser Reise. Ihre Verbundenheit mit Schlesien brachte sie im Bus zum Ausdruck, als sie ein Gedicht vortrug, das sie von ihrer Mutter kannte.  Der Glockenguss zu Breslau heißt die ergreifende Ballade von Wilhelm Müller (1794 bis 1827), in der ein Glockengießermeister im Zorn seinen Lehrbuben erstach und dafür mit dem Tod bestraft wurde. Als er zur Hinrichtung geführt wurde, läutete die Glocke, die Ursache des Streites gewesen war, zum ersten Mal und wurde so für ihn zur Toten- und Sünderglocke.


Helga Echle Bild: hco